Freitag, 22. September 2017

Frisch gepreßt 392: Dan Auerbach "Waiting On A Song"


„Wir brauchen wasserdichte Kopfhörer!“
Der Ruf der euphorisierten Begleiterin bleibt (wg. Unterwasser) zunächst ungehört, wird wiederholt, als sie sich weigert, den Wasserfall aufzusuchen, wie sich das in diesen Zeiten gehört, weil sie lieber weiter lauschen, sich euphorisieren lassen möchte von den Klängen, die ihren Lauschmuscheln entdringen und insektenschwarmartig die schwüle Luft durchcircen.
„Gibt es nicht, vermutlich.“
Musik in Wasser zu tauchen ist selten eine gute Idee, auf die man deswegen auch nicht oft kommt. Schon gar nicht übrigens bei Dan Auerbach, weil die Musik, die der Mann mit seiner Urband The Black Keys (nicht mehr ganz) hauptberuflich macht, dermaßen geladen ist mit roher, nur durch stärkste Isolierung in ein „Format“ zu bändigendem Knallstrom, daß wahrscheinlich noch in Wolfratshausen und Ismaning die badenden Menschen und Fische einen ziemlich scharfen Zitterschlag abbekämen, wenn man es täte. Aber diesmal, bei seinem zweiten „richtigen“ Soloalbum, läßt uns diese Idee nicht los.
„I'm gonna stand by my girl, cause she'll kill me if I don't“, jubelt die Begleiterin, als genügte das bloße chorale Zitat, um die romantische Stichhaltigkeit des Arguments zu bekräftigen. Ich lausche dem poppigen Insektenschwarm und hänge weiter der Idee nach, Musik ins Wasser zu tauchen, aus unsicheren Gründen, hauptsächlich einer nostalgischen Regung mit der Ahnung, daran schon mal gedacht zu haben.
Vor Urzeiten nämlich, damals, als wir in einem ähnlich glasigen, schwülen, außer zeitlich vollkommen unendlichen und grenzenlosen Spätfrühling die Monkees aus frühesten Kindererinnerungen herausgruben und ewig nichts anderes mehr hören wollten als diese naiven, verspielten, dumpfgewaltfrei schwebenden und perlenden, manchmal unbeholfen und an der Grenze zur Selbstüberforderung geträllerten und gerappelten, im Geiste aber perfekten und durch und durch sympathischen Blütenmeere von Sönglein, die nicht und niemals so etwas wie die Welt ändern wollten, aber wahrscheinlich deshalb genau das taten, indem sie sie schön machten, die grau betonierte Wirklichkeit. Ja, auch bei „Pisces, Aquarius, Capricorn & Jones Ltd.“ und „Head“ (zum besten Beispiel) hatten wir den Spontanimpuls, diese Musik ins Wasser zu tauchen, um es unter anderem funkelbunt zu färben.
Der Begleitung davon zu erzählen, wäre sinnlos, weil sie sich daran höchstens subliminal-vorgeburtlich erinnern könnte. Sie weiß auch nichts vom Electric Light Orchestra und Jeff Lynne, mit dem ein ignoranter Kritiker Dan Auerbach verglich, weil sich der nämlich gar so mühe, die Rock-, nein, Popmusik in einem gewissermaßen „klassischen“ Zustand museal zu konservieren, perfekt produziert und meisterlich kunstvoll arrangiert zwar, aber halt auch kreuzbrav und fad und uninnovativ – ein Tupfer Buddy Holly hier, ein Schmierer (eben) Jeff Lynne dort, allerdings nicht ELO, sondern das käsige Schmierzeug, das selbiger in den 80ern u. a. mit Bob Dylan, Tom Petty, Roy Orbison und George Harrison als Traveling Wilburys und für einzelne davon als Produzent fabrizierte.
Aber mei, wen kümmert das in diesen Wochen? Nicht mal mein Gegenargument, es brauche gar kein so feines Ohr, um die elektronische Breitärschigkeit, mit der Lynne damals alles übergoß und ertränkte, zu unterscheiden von Auerbachs Feinfühligkeit und Fingerspitzengespür (auch wenn „Shine On Me“ tatsächlich sehr deutlich an Harrison/Lynnes Dödelhit „Got My Mind Set On You“ erinnern könnte, wäre der nicht eine Coverversion gewesen und wie der wundervolle Klassiker „If You Gotta Make A Fool Of Somebody“ ursprünglich 1962 von Rudy Clark für den bald darauf an einer Überdosis gestorbenen R&B-Renegaten James „Jimmy“ Ray geschrieben worden – was der Kritiker vermutlich nicht, Auerbach aber vermutlich sehr genau wußte).
Es spielt keine Rolle. „Wir brauchen wasserdichte Kopfhörer!“ Und weil wir die nicht haben, tauchen wir die Musik jetzt einfach hinein in die Isar und färben sie funkelbunt.

Die Kolumne "Frisch gepreßt" erscheint alle vierzehn Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN.

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