Hawaii ist ein Land, von dem man wenig hört, solange man
nicht an Winterwochenenden den Fernseher zu einer Zeit einschaltet, zu der nur
grenzdebile Vorstadthausmeister mit Rudimentärschmalztolle aus den frühen
Sechzigern ihr Mittagsbier vor der Glotze verzehren, weil der Stehausschank Urlaub
macht. Da läuft dann gern mal so ein Filmchen, in dem Elvis Presley vor einer
Brandungswelle steht und grinst wie ein grenzdebiler Vorstadthausmeister, weil er
ein pfundiges Liedl knödeln darf.
Ansonsten feiert alle drei Jahre der durchaus pfiffige Surf-Pop
ein zweitägiges Revival, zu dem Bilder von Hawaii gezeigt werden, obwohl die
Insulaner zwar die ersten waren, die es lustig fanden, auf Brettern im Meer
herumzudüsen, statt arbeiten zu gehen, aber mit den harmlosen Twang-Schlagern
so viel zu haben wie Hansi Hinterseer mit Bayern (oder meinetwegen Österreich).
Das war’s auch schon.
Dabei gäbe es aus Hawaii mancherlei Lustiges zu berichten.
Das scheitert aber wohl (oder übel) an einem simplen Problemchen, das nicht
darin besteht, daß man in Hawaii Geschichten lieber hulatanzt, als sie in
Plapperworte zu zwängen, was eine schriftliche Verbreitung erschwert. Oder doch,
denn die Vermutung, das Hulatanzen zur Weitergabe von Klatsch, Tratsch und
Mythos sei nur deswegen erfunden worden, damit man sich an der hawaiianischen
Landessprache nicht den Mund verrenkt, ist nicht gänzlich fernliegend.
Das fängt bei den Namen an, und mit dem ihren hatte eine
Hawaiianerin so ihre Schwierigkeiten: Beim Autofahren von einem Polizisten
angehalten, zeigte sie brav ihren Führerschein vor und wurde belehrt, da fehlten
der Vorname und ein Buchstabe vom Nachnamen, mithin sei das Ausweiskärtchen im
Grunde ungültig, weil gar nicht ihre vollständige Personenbezeichnung draufstehe.
Die lautet: Janice Lokelani
Keihanaikukauakahihuliheekahaunaele. Von der zuständigen Behörde gebeten, auf
das abschließende „e“ zu verzichten oder gleich die ganze Buchstabenwurst auf
Vorstadthausmeisterformat zu kürzen, geriet die Dame in Rage und weigerte sich
beharrlich. Und mit Recht, schließlich bedeutet Keihanaikukauakahihuliheekahaunaele
(wie Lokelanis verstorbener Gatte hieß, ganz ohne Vornamen) zu deutsch „Wenn
Chaos und Verwirrung herrschen, wirst du derjenige sein, der aufsteht und die
Menschen dazu bringt, sich zu besinnen, um dem Chaos zu entrinnen“.
Nun stellen wir uns vor: Ein durchaus denkbarer deutscher
Zeitgenosse namens Hans Günther Wennchaosundverwirrungherrschenwirstduderjenigeseinderaufstehtunddiemenschendazubringtsichzubesinnenumdemchaoszuentrinnen
wird von irgendeinem Amt gebeten, sich doch bitteschön Hans Wensteverwinnen zu
nennen, weil er dann künftig seine Strafzettelüberweisungen auf einem Blatt
unterschreiben könne – mit Sicherheit stünden umgehend drei
Facebook-Bürgerinitiativen auf dem Plan, um das dreiste und selbstherrliche
Ansinnen der Behördenhalbgötter anzuprangern und per Petition zu Fall zu
bringen.
Ich weiß nicht, wieso ich dabei jetzt an Josef Ackermann
denken muß, aber wo wir schon mal dabei sind: Der hieß laut einer unbestätigten
Vermutung meinerseits früher mal „Wenn jemand auf einem Acker oder sonst wo
schuftet, muß ein Mann bereitstehen, um ihm den Ertrag seiner Arbeit zu stehlen
und ihn an Kerle zu verteilen, die zu diesem Zweck Aktien und andere fälschlich
so genannte Wertpapiere besitzen“, dieser Nachname wurde indes ohne behördliche
Mitwirkung verkürzt, weil man sonst gar zu leicht draufkommt. Dahinter steckt
pure Eitelkeit, weil Herr Ackermann ein wirksames Eingreifen irgendwelcher
Initiativen oder sonstiger Betroffenheitskasperl nicht befürchten muß.
Schließlich ist er „Schattenkanzler der Republik“, „Staatsmann“, „oberster
Krisenmanager“ und neben Angela Merkel „die mächtigste Person des Landes“. So
steht es in einem als Buch verkleideten Batzen Honig, den sich Ackermann von
seinem früheren Kommunikationschef ums Maul schmieren ließ und das der (in
dieser Hinsicht selten zimperliche) Econ-Verlag auch noch druckte. Ackermann selbst
behauptet, er habe die „faszinierende“ Schwarte „in einer Nacht durchgelesen“
und sei zu „Erkenntnisgewinnen“ gelangt.
Das mag sein. Bislang nämlich könnte er ebenso wie wir
gemeint haben, er habe mit windigen Ramschhypotheken, Spekulationswuchereien,
halsbrecherischen Zinswetten, Schrott- und Schachtelpapieren, maßloser
Profitgier, Leitzinsmanipulationen, Verlustschiebereien aufgrund von
Insiderwissen und anderen halb- bis ganzkriminellen Wursteleien dafür gesorgt,
daß Deutschland und die Welt seit Jahrzehnten von einer „Krise“ in die nächste
plumpsen, daß Fantastilliarden von erschuftetem Geld auf ein paar Geheimkonten
sprudeln, während ein rasant wachsender Anteil der Erdbevölkerung den
historisch einmaligen Umverteilungswahnsinn mit Hunger, Not und Elend bezahlt.
Nun wissen wir es besser: Ackermann hat nämlich, so teilt
sein „Biograph“ mit, von all dem überhaupt nichts gewußt. Ja – er war
regelrecht „tief enttäuscht“ und „fühlte sich hintergangen“, als er von den
Sauereien erfuhr, die ihm ein Privatvermögen von 120 Millionen Euro einbrachten
(während der Aktienkurs der Deutschen Bank in seiner Amtszeit auf die Hälfte
schrumpfte, was aber sicherlich ebenfalls ohne sein Zutun und Wissen passiert
ist).
Jetzt könnten wir fragen, wie es eigentlich sein kann, daß
der mächtigste Mann des Landes von nichts eine Ahnung hat, und wie er dann
irgendeine „Krise“ „gemanagt“ haben soll. Und wieso ein Land, in dem so einer
mächtigst sein kann und darf, es wagt, das Wort „Demokratie“ in den Mund zu
nehmen und seine Bürger anzubetteln, sie möchten doch bitte wählen gehen (um zu
entscheiden, wer die nächsten vier Jahre den Befehlen von Ackermann & Co.
gehorchen muß).
Aber das sparen wir uns, weil es so amüsant ist wie ein Winterwochenende
lang den exhumierten Leichnam von Elvis Presley anzustarren, während Hansi
Hinterseer das Ackermannbuch als Hula tanzt.
Die Kolumne "Belästigungen" erscheint alle 14 Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN.
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