Er erinnerte sich an die
Beerdigung an einem Dienstag im frühen Februar, zu der sie mit dem Zug nach
Hannover gefahren waren, frühmorgens. Lisa war noch betrunken, er schwer
verkatert; fünf Stunden lang betrachteten sie schweigend einen bleischwarzen
Todeshimmel, der sich langsam achatartig graubraun färbte und ihnen zu folgen
schien; dann waren sie zu viert (Vater, Mutter, Tochter, Schwiegersohn – der
Rest der Verwandtschaft hatte sich nicht von seinen beruflichen Verpflichtungen
befreien können) im winterlichen Sturmwind am Grab gestanden, hatten schweigend
zugeschaut, wie der Sarg in der Grube verschwand.
Lisas Tränen hatten in ihm
eine eigenartige stille Wut ausgelöst, weil er sie für rituell und falsch
hielt; hinterher hatte ihr Vater mit acht Gläsern Schnaps den gesamten
Alkoholkonsum ihres trostlosen Tisches in einem ansonsten leeren griechischen
Lokal alleine bestritten und war dann plötzlich verschwunden. Lisas Mutter
wischte sich mit zitternden Spinnenfingern immer dieselbe Haarsträhne aus dem
Gesicht, während sie von ihren Bemühungen um das Erlernen der spanischen
Sprache erzählte, dann begleitete sie sie zu Fuß zum Bahnhof, obwohl Urbin
mehrmals anbot, ein Taxi zu bezahlen, und ging endlich, als der Zug anfuhr, mit
gesenktem Kopf davon, ohne Lisas Winken zu bemerken. Die Tote war nicht ihre
Mutter gewesen, sondern die ihres Mannes, der sich derweil in einer seiner
Stammkneipen besinnungslos trank und dem Zahnstocherbehälter auf seinem Tisch
unverständliche Geschichten aus seiner Kindheit erzählte.
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