Die Vereinigten Staaten von Amerika wurden einst zu ehrenwerten
Zwecken gegründet – „pursuit of happiness“ bla; zudem postuliert die Unabhängigkeitserklärung
ein „Recht auf Revolution“, womit was ganz anderes gemeint ist als das Geplärr,
mit dem zerzauste Punkhippies heutzutage ihre Biertischbewunderer beeindrucken
möchten.
Lange her. Heute sind die USA eine gigantische Maschinerie
zur Verhinderung von „Terror“, worunter sämtliche Versuche zu verstehen sind,
dem Anschwellen der gesellschaftlichen Aknepickel, in denen sich Blut, Schweiß
und Tränen von Milliarden Ausgebeuteten als geldiger Talg sammeln, Hemmnisse in
den Weg zu räumen. Zu diesem Zweck ist der Riesenapparat Tag und Nacht damit
beschäftigt, „Daten“ zu sammeln und alles zu überwachen, was auf Erden an
Menschlichem kreucht, fleucht, schnauft, kauft, rauft, rudert, pudert, ömmelt
und bömmelt. Keine E-Mail, die nicht archiviert, kein Brief, der nicht durchleuchtet,
kein Telefongesäusel, das nicht auf relevante „Informationen“ geprüft würde –
es steht zu vermuten, daß sich unter dem Hauptsitz der NSA in Crypto City (!)
gigantische Bunker bis zum Erdmittelpunkt erstrecken, in denen Fantastilliarden
von elektronifizierten Buchstaben und Ziffern herumschwirren und darauf warten,
eines schönen Sankt-Nimmerleins-Tages „ausgewertet“ zu werden.
In Deutschland, wo „Terror“ seit dem Zweiten Weltkrieg
praktisch nur von staatlich gesteuerten Naziorganisationen sowie der
Springerpresse ausgeübt wird, geht man mit so was gelassen um. Zwar gibt es
auch hier eine Reihe von „Geheimdiensten“, aber die sind so geheim, daß sie
meistens selber nicht wissen, was sie gerade tun und je getan haben. Und
während jeder popelige Grasbröseldealer relativ bald mitkriegt, wenn er
polizeilich beäugt oder beohrt wird, könnten sich deutsche „Geheimdienste“ notfalls
selbst abhören, ohne was zu merken. Die Ergebnisse ihrer munteren Kapriolen werden
sowieso nach Dienstschluß geschreddert, und was soll’s auch – wenn ein
geheimdienstlich initiierter Bombenanschlag hinhaut, merkt man das am „Bumm!“
und daran, daß hinterher die Springerpresse so lange geifert, bis mal wieder
ein paar Gesetze verschärft und Repressalien gegen linksradikales Lumpenpack eingeleitet
werden.
Vielleicht liegt die Wurstigkeit daran, daß die Deutschen
mit dem Versuch, die Weltherrschaft zu erlangen, schon mal dermaßen grandios
gescheitert sind, weil sie sich nicht auf das konzentriert haben, was zählt
(Geld! Reformen!), sondern alle möglichen völkischen, folkloristischen und
idiotischen Hampeleien hineingerührt haben: Was der Hitler mit seinen
antisemitischen Spinnereien verbockt hat, können Deutsche Bank und Merkel halt nur
notdürftig kompensieren.
Zumal damals auch versucht wurde, mittels allumfassender
Ausspitzelung jegliches Aufkommen von „Terror“ zu unterbinden – mit höchst
kläglichem Erfolg. Wer alles weiß, so ist das halt, der weiß überhaupt nichts
mehr und wird sich in seiner Wirrnis und Überforderung am Ende selber wegen
Subversion wegsperren müssen. Übrig bleibt ein leeres, leise vor sich hin
surrendes System.
So weit sind die Amis noch nicht. Die sind fleißig weiter am
Überwachen, Abhören, Anzapfen, Spitzeln, Ausforschen, Entschlüsseln und vor
allem: Sammeln, Sammeln, Sammeln. Um zu prognostizieren, wie das endet, genügt
ein Blick in den Fischteich, in dem ein Hecht herumsteht: Der hat einen
Schnappreflex und muß daher alles verschlingen, was sich ihm auf
Maulschnappreichweite nähert. In dieser Hinsicht ähnelt der schmollige Fisch
der im ökonomischen Biotop herumrumpelnden Geldsau: Egal wie prall die Wampe
ist, es wird gespachelt, bis nichts mehr da ist – was selten vorkommt, weshalb
es den Hecht, der das Pech hat, ins teichige Äquivalent einer im „Reformprozeß“
befindlichen „sozialen Marktwirtschaft“ hineinzugeraten, unweigerlich
irgendwann zerreißt.
Hier öffnen sich lustige Perspektiven, wenn man das
automatisierte „Datenklau!“-Gegreine mal einstellt. Wozu sich aufregen, daß die
Ami-Agentur so viel über uns weiß – soll sie doch noch viel mehr erfahren!
Scheißen wir sie zu mit „Daten“, pfropfen wir unsere Kommunikation voll mit
Hinweisen, Andeutungen, „Informationen“: keine Mail mehr ohne das Schlüsselwort
„Terror!“, kein Telephonat ohne eingestreute pseudoarabische Schimpfwörter,
kein Spaziergang ohne eine zweckfreie „verdächtige“ Handlung vor einer
Überwachungskamera, und vor allem darf kein Tag mehr vergehen, ohne daß jeder
von uns der NSA (zu erreichen über www.nsa.gov) eine Mitteilung mit Daten
schickt – von der Schuhgröße der 1965 verstorbenen Urgroßtante über die
Höchsttemperaturen des Lerchenauer Sees an jedem Tag der vergangenen dreißig
Jahre, den Kaloriengehalt des täglich verbrauchten Katzenfutters, die
Seitenzahl aller je gelesenen Romane (mit Angabe der Vornamen der handelnden
Figuren) und die Nummernschilder sämtlicher in Schwabing geparkter Autos bis
hin zu einer umfassenden Aufzählung der natürlichen Zahlen und einer täglichen
Folge von Photos unserer Nasenhaare, die im Begleittext mit Kosenamen belegt
und einzeln identifiziert werden.
Die NSA wird nicht anders können als zuschnappen, so ist sie
nun mal. Und wenn es sie dann nicht gleich zerreißt, dann wird sie jedenfalls
die nächsten hundert Jahre dermaßen am „Auswerten“ sein, daß außer einem gelegentlichen
Stöhnen aus den Tiefen der Datenbunker zumindest unsere Generation nie wieder
etwas von ihr hören wird.
Die Kolumne "Belästigungen" erscheint alle 14 Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN, diese Folge am 11. Juli.
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