Superheavy (2011): Eine „Supergroup“ mit Dave Stewart – das
kann nicht werden, weil mit Dave Stewart fast nichts was anderes wird als
zickiger, überproduzierter 80er-Aufwasch. Mick Jagger und Joss Stone krähen
herum, um herauszufinden, wer lauter ist; überhaupt lärmen alle durch die
Gegend, als hätten sie ihre jeweiligen Beiträge an zehn verschiedenen Tagen in
zehn verschiedenen Studios aufgenommen. Haben sie wohl auch. Unerfreulich, to
say the least.
Jack & The Rippers hatten auf „I Think It’s Over“
zumindest mit dem Titel sehr recht: Die Zeit für billigen, wuchtigen, poppigen
Straßenpunk mit hübschen Brachialmelodien für Kneipenchöre waren 1978 definitiv
vorbei. Man begann das damals gerade „Powerpop“ zu nennen, für die Vermarktung
waren aber Amis zuständig, die so was mit gewaltigem Aufwand „billig“ und
direkt klingen ließen. Hier klingt es direkt und ziemlich gut, teilweise sogar
sagenhaft gut für einen wilden Sommer („Don’ Pretend“ knallt sogar die
Barracudas an die Wand), kommt aber nun mal aus der Schweiz (aus Genf), und was
hätte das die Welt gekümmert? Später wurden aus der Band die Zero Heroes, von
denen eine LP in meinem Regal steht, die ich in bald dreißig Jahren nicht ein
einziges Mal ganz angehört habe.
Hagood Hardy & The Montage, „Montage“ (1970): eine der
vielen harmlosen Sonnenpopgruppen, die Anfang der 70er noch so tun wollten, als
wäre Sommer 1967. Die Platte ist weitgehend freundlich und verträumt, hin und
wieder vorsichtig funky und eigentlich recht spaßig, bleibt aber nicht
wirklich, nein: überhaupt nicht als mehr im Gedächtnis als zartrosa
Klangpudding. Hardy selbst ist übrigens nicht eine der beiden Sängerinnen, die
sich hie und da harmonisch ein bißchen verhakeln, sondern der (ziemlich
virtuose) Vibraphonist.
Gus Vali „Motion Picture Music For Belly Dancers“ (1965) ist
genau das: „exotisch“ aufgepeppte Melodien aus „Charade“, „Mondo Cane“, „Alexis
Sorbas“, „Cleopatra“, „Topkapi“ und anderen Hollywoodstreifen bis -schinken,
viel Gedudel und Gepfriemel und Bongogetrommel, letztlich „interessant“ und
nervig.
Das selbstbetitelte Album von Hallelujah Babe (1971) ist meist
beschaulich-„romantischer“, bisweilen pathosgeladener Progressiv- bis Hardrock,
der zweifellos kompetent gespielt ist, aber in praktisch jedem Takt die Grenze
der Lächerlichkeit überschreitet. Interessant daran könnte (für Nerds)
höchstens sein, daß zwei der Beteiligten (Paul Vincent und Keith Forsey) später
bei der ebenfalls in diesem Genre tätigen Band Munich wirkten. Und freilich daß
Forsey mit Giorgio Moroder den typischen Donna-Summer-Klang und sein Schlagzeug
den „Munich Disco“-Sound etwa bei den mittleren (und meist schlimmen) Sparks,
bei Boney M. und La Bionda prägte, daß er als Produzent mit Billy Idol selber
einen richtigen Star gebar (was danach mit Charlie Sexton nicht so gut klappte)
und mit Soundtracks wie „Flashdance“ und „Beverly Hills Cop“ eine gute Portion
von dem beitrug, was die 80er so schrecklich machte. Ach, daß „Don’t You
(Forget About Me)“ von den Simple Minds von ihm stammt, sei hinzugefügt, um das
Bild abzurunden. Nichts davon ist hier zu ahnen, und das macht die Platte fast
schon erfreulich und ein Lied wie „The Winter Song“ fast richtig schön, bei
aller Käsigkeit.
Hamilton, Joe Frank & Turner: bemüht freundlicher und
relaxter Softrock; leider sind die Songs und Melodien so bemüht und an den
Haaren herbeigezogen, daß einem dabei sogar die Lust auf die Eagles vergeht ...
Handsome Family: netter, freundlicher Countryrock mit einem
ganz kleinen Schuss Velvet Underground.
Harpers Bizarre: versponnener Hippie-Sonnenschein-Pop, so
durch und durch nostalgisch verträumt, daß er damals (1967-69) schon wie aus
fernvergangenen Zeiten herangeweht gewirkt haben muß. Raffinierte,
einfallsreich arrangierte (und orchestrierte) Songs, die immer mal wieder an
die Monkees erinnern und zwar nicht im Ohr bleiben, aber so hübsch aufbereitet
sind, daß man sie tatsächlich vier Alben lang ohne Langeweile durchhält.
The Muffs waren, wenn ich mich recht erinnere, zur Zeit des
Erscheinens von „Blonder And Blonder“ (1995) eine von vielen
Green-Day-Punk-Bands mit biestigem Mädel am Mikro. Die hieß (und heißt) Kim
Shattuck und grölt bisweilen ein bißchen aufdringlich böslich herum, aber im
Vergleich mit späteren Pop-Punk-Mädelsbands ist dieses zweite Album eine echte
Freude mit vielen schönen Melodien und ziemlich viel Kraft, die zwar nie an
solche Granaten wie Be Your Own PET heranreicht, aber dem insgesamt doch recht
braven Genre ein schönes Glanzlicht aufsetzt.
Mungo Jerry klingen auf ihrem ersten Album von 1972 wie T.
Rex mit Backenbart und halbvollen Bierkrügen. Und (wenn ich mich recht
erinnere) nicht nur auf dem ersten.
Muscadine „The Ballad Of Hope Nichols“ (1998) klingt wie ein
kaputtes Echo des ersten Eels-Albums: ein Haufen zerfallender Fragmente von
Songs, aus denen keine geworden sind, weil keine draus werden wollten. Hat
einen zeitweise angenehmen Heroin-Chic ohne Heroin, aber ist halt letztlich
durchgehend immer wieder und immer dasselbe.
My Vitriol „Finelines“ (2000): Epischer,
theatralisch-pathetischer Lärmrock mit den üblichen leiseren Passagen,
teilweise ganz angenehm zu hören, aber so seelenlos und brachial
runtergeklopft, daß man sich nicht wundert, daß die Musiker nach diesem Album
(bislang) dreizehn Jahre Pause machten, in denen sie „an einem zweiten Album
arbeiten“. Wahrscheinlich sind sie, von ihrer eigenen Musik paralysiert, in
Dauerschlaf gefallen.
Lisa Germano „Geek The Girl“ ist mir zu involviert und zu
wenig musikalisch.
Ladytron soll wohl das 80er-Revival vorantreiben, ist aber
ohne Romo-Welle außenrum nicht weiter als asexuelle Kirmesmusik ohne die
manchmal aufblitzende Melancholie der Pet Shop Boys.
Karthago „Second Step“ (1973): Typisch deutscher
Kraut-Polka-Beat; alle wollen alles, und zwar am besten gleichzeitig: so viele
Töne wie nur möglich in den Takt pressen, solieren, funky sein, jazzig sein,
virtuos sein, etwas „aussagen“ und möglichst schwarzamerikanisch klingen.
Gelingt der Band, wenn der erste Rausch verflogen ist, erstaunlich gut, solange
den Musikern ihr individuelles Können nicht allzu sehr zu Kopf steigt.
Dorian Gray „Idahaho Transfer“ (1976): Richtig
dilettantisches Deutschgerocke aus Meinerzhagen im Sauerland, klingt
zwischendurch nach Meinung einiger Internetsammler ein bißchen nach der späteren
„Neuen deutschen Welle“, was aber vor allem daran liegt, daß Claudia Schnippel
definitiv nicht singen konnte und einfach den Tönen der Baßgitarre folgt, was
dann irgendwie nach Nichts und ähnlichen Bands klingt, logischerweise.
Ansonsten: So schlecht, daß es schon wieder arg sympathisch ist. Bis hin zu dem
herrlich idiotisch-naiven Songtitel „Nighttime Is Colder Than Outside“ ...
Downliners Sect: Eine der vielen nachträglich überschätzten
Bands des ersten Beatbooms, die höchstens durch unverschämte Texte und eine
besonders ruppige Spielweise auffällt. Kurios ist allerdings das in den meisten
Discographien fehlende Album „Punk Rock“ von 1977, eine ziemlich krasse Mixtur
aus Beat, weißem Brit-R&B (Mundharmonika) und frühem Pubrock/Rüpelpunk: So
kaputt, wie das klingt, sollte es wahrscheinlich nicht klingen. Wie ein Irrer,
der sich mit Ziegelsteinen die Beine und den Kopf zertrümmert.
Elliott Murphy „Elliott Murphy“ (2011): muß es wohl auch
geben, so vollkommen normalen Rock. Springsteen in der Nachbarsgarage,
technisch aufgemotzt, aber letztlich bei aller Feinheit der Details ein totes
Pferd. Früher (1973)
Empire! Empire! I Was A Lonely Estate spielen auf „Middle
Discography“ (2011) müdes Indiezeug, dem als Musikverweigerung sicherlich eine
ehrenwerte Motivation zugrunde liegt, das aber auch nicht mehr als Müdigkeit
erzeugt.
Federal Duck (1968) ist arg orientierungsloser und
kraftfreier Hippie-Pop, der zwischendurch auch mal in Countrygefiedel und eine
Fake-Jazz-Session hineinrumpelt, bei der niemand auf den anderen hört, weshalb
außer Lärm wenig herauskommt.
The Feelies „Crazy Rhythms“ (1980): zickig, kantig, nervös wavig,
aus heutiger Sicht wohl ziemlich überschätzt, aber auch spaßig.
FFF „Electric Violin Trash“ (1989): Punkband aus Bonn mit
ziemlich nervtötend „provokantem“ Sänger, aber interessanten Breaks und – eben
– einer elektrischen Geige, die die Holzhackerei mit ein paar ganz lustig
zirpenden Tupfern betupft.
The Field Mice „For Keeps“ (1991): Typischer
Sarah-Records-Traumpop mit achtlos dahinplätschernden Quintenharmonien und in
endlosen Hallräumen wie körperlose Staubsauger dahinschwebenden Damen- und
Jünglingsstimmen. In hymnischen Momenten sehr wehmütig schön, aber auf die
Dauer so aufdringlich blaßhäutig und friedlich, daß man unwiderstehliche Lust
auf Heavy Metal kriegt.
Fikret Kizilok „Singles 1970-1974“: Einer der größten Stars
der Türkei in den frühen Siebzigern; typisch voll mit Gefühl und bebender
Sehnsucht, aber ohne den Honigüberguß, den man aus diesem Genre kennt, sondern
eher souverän-gelassen und mit oft überraschenden harmonischen Ideen. Später
kommen dann auch Einflüsse aus dem psychedelischen Rock dazu, die er
erstaunlich einheitlich in seinen Stil einbaut.
Pieta Brown „Mercury“ (2011): Freilich schöne
Songwriterinnenmusik, die aus jedem Jahr und Jahrzehnt seit Joni Mitchell
stammen könnte; irgendwann wird sie einem belanglos, und dafür schämt man sich
dann fast ein bißchen.
Pink Military „Do Animals Believe In God?“ (1980):
Regionalliga-New-Wave mit angenehmem Gespür für die Kälte der damaligen
Stadtwelt, aber halt bloß Regionalliga.
Pissed Jeans „King Of Jeans“ (2009): Wow, das haut rein, und
wenn der Sänger nach drei Jahren dieser Tätigkeit noch ein normales Wort
rausbringt, ist er ein Poser. Schön, daß es nicht bloß knallt, sondern mit
coolen Arrangements den Kopf freibläst.
The Pop (alle möglichen Singles, Alben und EPs von 1976 bis
1979): fröhlich knalliger Powerpop, wie ihn damals im Schatten von Punk alle
möglichen Leute machten (die bei genauem Hinsehen gar nicht so viele waren).
Man denkt immer automatisch an Elvis Costello – so gute Songs haben sie
freilich nicht, aber Spaß macht’s trotzdem. Zwischendurch haben sie dann
allerdings so eine Hardrockphase gekriegt, das ist enorm anstrengend und
ziemlich absurd.
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