Neulich war an dieser Stelle vom Wasser die Rede, was ein
schönes Thema ist, auch für Leserbriefschreiber, die nun wettern (!), ich hätte
mit meinen trotzigen Prangerungen wider die Regenlosigkeit als eine Art „Mind
over Matter“-Medium psychokinetisch dafür gesorgt, daß es nun fast nur noch
regnet.
Was sich die Leute vorstellen! Ich weise darauf hin, daß
mein durchaus Geistesverwandter Donald Duck dereinst zwar krude verschmückt in
der Prärie herumgehüpft ist und mit dem Choral „Jipii, jipii! Com in poco de
locho mit de wassertanco!“ für einen regelrecht flußsprengenden Guß gesorgt
hat. Indes ist einschränkend hinzuzufügen, daß dahinter eine durchaus typische
Melange aus technischem Wunderklimbim und esoterischem Humbug steckte (und zwar
mag es vorkommen, daß ich, wenn ich mich unbeobachtet wähne, meine Wiese mit
Nackttänzen bespiele und dabei durchaus seltsame Verse skandiere, aber die
meteorolgische Wirkung solchen Tuns hält sich in engen Grenzen).
Nein, Wasser aus dem Himmelshahn kommt, wie es kommt, und
gerne kommt es Anfang Juli; jedenfalls verzeichnet das Tagebuch des
Fünfzehnjährigen, der ich in gewissen Momenten noch bin, aus jenem Juli
Einträge wie „Es regnete und regnete“ sowie „Dauerregen“. Perennial aber ist
das Klagen des Menschen über zuviel beziehungsweise zuwenig Naß von oben, drum
wollen wir’s dabei bewenden lassen – am liebsten wäre ihm halt, es wäre das
Wetter wirklich ein Hahn, den er aufdrehen und zudrehen könnte, wie es ihm
beliebt.
Am Wasser übrigens läßt sich ganz gut auch der jeweils
aktuelle Stand des kapitalistischen Weltverformungsprozesses ablesen. Eine
wichtige Funktion dessen ist es, auf der einen Seite „Angebote“ und Privilegien
zu schaffen, indem auf der anderen Seite etwas gestrichen, gekürzt,
eingeschränkt und abgeschafft wird. Zur Illustration dieser Binsenweisheit
erreicht mich via einen Freund in Irland die kuriose Kunde, daß die dortige Monetengentry um Zuge der Umwandlung
von Städten in Luxusquartiere mit Verwahrstationen für Menschenmaterial und
Humankapital außenrum sich neuerdings einen dritten Wasserhahn ins Haus
montieren lassen können, aus dem Mineralwasser hervorsprudelt (und zwar, dies
steht zu vermuten, aus den Reservoirs des Nestlé-Konzerns, der zu diesem Zweck
seit längerem bemüht ist, sich die Eigentumsrechte an den entsprechenden
Quellen auf der ganzen Welt zu beschaffen).
Das geht freilich nicht umsonst, und bezahlen müssen wie
immer die anderen. Drum hat die irische Regierung im Auftrag der „Troika“ (die
dafür zu sorgen hat, daß die Spekulanten und Banken ihr während der „Krise“
verzocktes Geld zurückkriegen) das Unternehmen „Irish Water“ gegründet und es
damit beauftragt, sich erst einmal für 20.000 Euro ein chices Logo schnitzen zu
lassen und dann 1,2 Millionen Wasseruhren zu installieren, damit man dem
niederen Volk, das sich bekanntermaßen zügellos braust, die frisch eingeführten
Wassergebühren abknöpfen und damit noch mehr Mineralwasserhähne in Luxustempel
hineinschrauben kann. Und weil irisches Trinkwasser sowieso recht teuer ist – die jahrhundertealten
Leitungen sind nämlich dermaßen marode, daß fast die Hälfte davon im Boden
versickert (und anderswo wieder austritt, vermutlich vorzüglich dort, wo Nestlè-Pumpen
stehen). 500 Euro pro Haushalt kostet das (es handelt sich um Hi-Tech-Uhren,
mit denen man über Funk den Hahn abdrehen kann, wenn jemand nicht blecht), und
berappen tut das nicht etwa „Irish Water“, sondern der Gebührenzahler.
Indes ist der Ire, wiewohl durch Rauchverbot und diverse
Antikrisen- und andere Verelendungsmaßnahmen versuchsweise gezähmt, immer noch
ein notorisch ruppiger Kerl, der seine über die Jahrhunderte erkämpften
Menschenrechte nicht so ohne weiteres auf den Müllhaufen der Geschichte kippen
läßt. Drum stehen die Behörden nun vor dem Problem, daß allüberall im Land Bürgerinitiativen
und schneidige Einzelkämpfer die Zählgeräte demolieren, ramponieren, ruinieren,
abmontieren oder deren Einbau gleich von vornherein verhindern, indem sie die
damit beauftragten Tagelöhnertrupps verscheuchen. Daß die UNO die Entsendung
von Blauhelmen erwäge, damit das H2O-Gerangel nicht zum Bürgerkrieg ausartet,
ist vorläufig nur ein Pubgerücht.
Wie man derlei Renitenz schon im Ansatz verhindert, demonstrieren
mal wieder die sowieso für proletarische Solidarität nicht eben notorischen Amis,
und zwar vorbildhaft in Detroit, der ehemaligen „Motor City“, die einst
dutzende Millionen Autos in die Welt pumpte und nun, da niemand mehr Autos aus
Detroit möchte, zum Restghetto für jene verkommen ist, die zu alt, zu krank
oder zu arm sind, um der Megaruine zu entfliehen und sich anderswo ausbeuten zu
lassen. Denen dreht die Verwaltung das Wasser einfach generell ab, weil sie
sowieso nicht zahlen können und man das Geld, das man weniger Armen an Steuern
rausleiert, für ferngesteuerte Tötungsflugmaschinen und anderen Klimbim
braucht. Sollen sie (um ein Zitat einer klassischen französischen Herrschdame
abzuwandeln) bei Nestlé anfragen, wenn sie Durst haben.
Übrigens stand ich neulich an der Kasse eines Supermarkts im
(wie man so verräterisch sagt) „sozial schwachen“ Münchner Norden – und vor mir
zehn Menschen mit jeweils einem oder zwei Sixpacks Plastikflaschenwasser. Und
da frage ich mich jetzt schon mit einem leicht unguten Kribbeln im Hinterkopf,
ob da nicht was im Gange ist, was damit zusammenhängen könnte, daß der dortige
Grundwasserspiegel in den letzten eineinhalb Jahren um eineinhalb Meter
gesunken ist … Wenn da mal nicht demnächst jemand den Gewitterhahn aufdreht
und, während wir dem Biergarten entfleuchen, ätschend unter der Sprudeldusche
steht – your turn, Verschwörungstheoretiker!
Die Kolumne "Belästigungen" erscheint alle 14 Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN.
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